Ein Spiegel-Artikel Ein Batterie-Tsunami rollt heran
Für die, die es nicht lesen können, habe ich den Text kopiert und überflüssige Bilder etc. entfernt. Das sind die Dinge, die in den derzeitigen öffentlichen Debatten untergehen. Dann über Atomkraftwerke (oder gar Fusionsreaktoren) zu fabulieren ist wirklich hanebüchen.
Riesige Speicher fürs Stromnetz – Ein Batterie-Tsunami rollt heran
Eine Kolumne von Christian Stöcker
Die Union zweifelt an erneuerbaren Energien, dabei bahnt sich ein zweites deutsches Energiewunder an: Netzbetreiber melden einen »Boom« bei Anträgen für Großspeicher. Der könnte Strom billiger machen denn je.
17.11.2024, 11.35 Uhr
Laut der Technischen Hochschule Aachen (RWTH) sind in Deutschland aktuell Stromgroßspeicher mit einer Gesamtleistung von 1,5 Gigawatt an das Netz angeschlossen. Das ist ein bisschen mehr Leistung, als sie das Atomkraftwerk Brokdorf zur Verfügung stellen konnte. Großspeicher können diese Leistung natürlich nicht kontinuierlich anbieten, sondern immer nur so lang, bis die Batterien leer sind.
Die Menge an Strom, die bislang installierte Großspeicher vorhalten können, liegt laut RWTH Aachen bei 1,8 Gigawattstunden. Das ist, nur zum Vergleich, in etwa der durchschnittliche Tagesverbrauch von 180.000 Haushalten.
Laufende Kosten nahe null
Eine viel größere Menge Strom wird derzeit in den Kellern und Hauswirtschaftsräumen deutscher Haushalte gespeichert: Die Kapazität deutscher Heimspeicher hat sich in den vergangenen vier Jahren verzehnfacht, von 1,4 Gigawattstunden auf 14 Gigawattstunden. Privatleute können derzeit hierzulande also fast achtmal so viel Strom bei sich zu Hause speichern wie Unternehmen, die große Speicherparks betreiben. Dazu kommen noch einmal knapp 670 Megawattstunden gewerbliche Speicher, die etwa Industrieunternehmen oder große Bauernhöfe betreiben. All diese Zahlen sind nur Momentaufnahmen, denn Monat für Monat werden jeweils wieder Hunderte Megawattstunden Speicherkapazität hinzugebaut (eine Gigawattstunde sind tausend Megawattstunden).
Firmen und Privatleute machen das, weil es sich lohnt. Dieser Boom wird weitergehen, denn die Preise für Speicher und Photovoltaik sind weiterhin im freien Fall. Man kann sich im Moment ein Balkonkraftwerk samt Wechselrichter für weniger als 200 Euro zulegen. Eine Heimbatterie mit gut 10 Kilowattstunden Speicherkapazität gibt es mittlerweile ab 1500 Euro, mancherorts für noch weniger. Wer es richtig anstellt und die baulichen Möglichkeiten hat, kann auch hierzulande von Mai bis September schon jetzt seine laufenden Stromkosten auf nahe null senken, nur mit Solarstrom und Speicher. So etwas amortisiert sich schnell.
»Tsunami«, »Boom«, »überrollt«
Die Information über das noch viel wichtigere Feld der Großspeicher findet man bislang allerdings nur in Fachpublikationen. Etwa dem Onlinefachmagazin der auf Energiethemen spezialisierten Analystenfirma Montel. »Montel News« hat bei den vier Übertragungsnetzbetreibern – 50Hertz, Amprion TenneT und TransnetBW – in Deutschland nachgefragt, wie viele Großspeicherprojekte derzeit beantragt werden. Die Antwort überraschte auch viele Fachleute, die jetzt intensiv über die Implikationen diskutieren .
»Wir werden gerade überrollt von einem Tsunami an Anschlussbegehren«, zitiert Montel einen Vertreter von Amprion. Eine TransnetBW-Sprecherin und ein 50Hertz-Sprecher benutzten gleichlautend den Begriff »Boom«. Die »Anschlussbegehren« für Großspeicherprojekte summieren sich auf erstaunliche 161 Gigawatt Gesamtleistung. Das heißt: Es ist jetzt schon mehr als hundertmal so viel beantragt, wie derzeit ans Netz angeschlossen ist.
Es gibt Unternehmen, und zwar diverse, die angesichts der schwankenden Strompreise durch erneuerbare Energien ein Geschäftsmodell aus dem Speichern und Weiterverkaufen von Strom machen wollen. Das lohnt sich wegen der weiterhin in hohem Tempo fallenden Batteriepreise.
Dass das passieren wird, war in dieser Kolumne vor einigen Wochen schon einmal Thema. Jetzt zeigt sich: Es wird wohl noch viel schneller gehen als erwartet – wenn die Regierung die richtigen Rahmenbedingungen setzt. Der Energieökonom Lion Hirth rät zum Beispiel, diese augenscheinlich wertvollen Optionen zum Geldverdienen mit Stromhandel nicht einfach kostenlos herzugeben. Und er weist darauf hin, dass Anträge nicht gleich Ausbau sind.
Die Prognosen mal eben verdoppelt?
Dass es diese Anfragen gibt, heißt nicht, dass all diese Großspeicher auch installiert werden: Manche Unternehmen fragen zum Beispiel mehrere Standorte parallel an, um am Ende wohl nur ein Projekt umzusetzen, andere bringen vielleicht keine Finanzierung zustande oder nehmen aus anderen Gründen wieder Abstand. Der Netzbetreiber Amprion zum Beispiel geht aber davon aus, dass 70 bis 80 Prozent der Anfragen für die von diesem Netzbetreiber verantwortete Zone zumindest technisch machbar wären.
Aber nehmen wir einmal optimistisch an, von den beantragten 161 Gigawatt Leistung ginge die Hälfte eines Tages wirklich ans Netz, also etwa 80 Gigawatt. Wenn man eine mittlere Speichertiefe von drei Stunden ansetzt (ein aktuell realistischer Wert), ergibt das 240 Gigawattstunden Speicherkapazität. Das entspräche dann etwa dem aktuellen Tagesverbrauch von 24 Millionen Haushalten. Gespeichert in Batterien.
Das wäre eine alle Prognosen ad absurdum führende, bislang unerwartete Entwicklung: Selbst das von dem Grünen Minister Robert Habeck geführte Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geht nach dem sogenannten Netzentwicklungsplan Strom nur von 43 bis 54 Gigawatt Leistung von Großspeichern aus – und zwar erst im Jahr 2045. Für das Jahr 2037 sieht der Plan nur 24 Gigawatt Leistung aus Großspeichern vor. Noch einmal zur Erinnerung: Fast siebenmal so viel ist derzeit beantragt.