Danke, total spannend! Könntest du dann noch erklären, was denn nun die 800V Technologie wirklich bewirkt? Wofür ist die wichtig, und warum lädt der Kia mit Unterstützung der 800V Technologie denn nun schneller?
Grundsätzlich bewirkt das, wie auch andere schon geschrieben haben, dass man die selbe elektrische Leistung bei weniger Strom abrufen kann. Weniger Strom heißt weniger Verluste, vor allem in Leitungen. Diese steigen quadratisch mit dem Strom an. Das macht grundsätzlich immer Sinn. Gleichzeitig werden diverse Komponenten aber teurer, da Spannungsfestigkeit höher sein muss. Die Batterie muss besser gegen Masse isoliert sein, Kurzschlüsse trennen wird schwieriger und es muss mehr Aufwand getrieben werden um zum Beispiel Einschaltströme gering zu halten. Wenn du im auto auf Start drückst, wird die Batterie ja irgendwie mit dem Antrieb verbunden und die Ströme, die dabei kurzzeitig über Schaltelemente fließen, nutzen diese ab, bzw. erzeugen Lichtbögen, die sie teilweise sogar wirklich kaputt machen. Das muss also vermieden werden und der technische Aufwand den man dafür treiben muss ist höher, als bei 400V.
Man hat am Ende also ein aufwändigeres System, das aber prinzipiell einen höheren Gesamtwirkungsgrad haben kann. Zumindest beim Laden wirft eGMP den Wirkungsgradvorteil aber wieder weg: Grundsätzlich will man 800V Batterien auch an 400V Ladesäulen laden können. Hier wird eine technisch einfache und kostengünstige Lösung gewählt, die aber leider die Ladeverluste hoch treibt.
Außerdem gibt es beim Laden noch einen grundsätzlichen Vorteil: Man kann mehr Leistung aus den Säulen ziehen.
Bei einer Säule, 500A in ihren Leitungen ab kann, sind mit 400V Ladeleistungen von 200kW möglich, bei 800V eben das doppelte, also 400kW.
Jetzt könnte man sagen: Aha! Der EV6 hat ja Ladeleistungen um die 230kW, was ja mehr als 200kW ist, also kommt das schnelle Laden von den 800V.
Das stimmt so aber nicht ganz.
Ja, mit 400V könnte er nur maximal 200kW abrufen bzw. bei niedrigem Akkustand noch etwas weniger. Dadurch würde er aber statt 18 Minuten nur etwas länger brauchen, meinetwegen 20 minuten von 10 auf 80%.
Die Konkurrenz braucht im Schnitt aber fast doppelt so lang. 35 Minuten sind ein guter Mittelwert für das was andere so hinlegen.
Und dieser Unterschied erklärt sich eben nicht aus der Batteriespannung, sondern in erster Linie aus der Form der Ladekurve. Und die ist schlicht so gewählt, wie es die Systemingenieure für sinnvoll halten.
Und ja, für 200kW bei 400V bräuchten die Karren auch etwas dickere Leitungen, als sie in Serie verbaut haben, um die höheren Ströme über so lange Zeit tragen zu können, aber dafür wirft man nicht freiwillig so viel Ladeleistung weg.
Hier mal ein Vergleich von ein paar Ladekurven:
[Blockierte Grafik: https://www.electrive.net/wp-content/uploads/2022/07/electrive-net-p3-charging-index-mittelklasse-ladekurven-888x505.png]
Wie du siehst, sehen die alle mehr oder weniger gleich aus: Fangen bei einem hohen Wert an und fallen dann kontinuierlich ab. Bei manchen sehr gleichmäßig (z.B. die tesla-kurven), bei manchen in mehr oder weniger kleinen Stufen (BMW, VW). Aber im Grunde machen alle eins: Sie fangen mit ihrer maximalleistung an, halten diese sehr kurz und fahren dann immer weiter runter. Nicht so die eGMP modelle. Der Kia fährt schon bei 15% akkustand auf seinen maximalen Ladestrom und hält diesen dann einfach bis 55%. Dort stuft er nochmal runter und fährt dann mit 180kW mehr oder weniger ins Ziel. Dafür braucht er aber nicht 800V. Er könnte zum Beispiel dort Anfangen wo der BMW i4 (400V) startet und diesen Wert einfach bis 55% halten. Dann wäre er etwas langsamer, aber nicht viel langsamer. Warum machen die anderen Hersteller das also nicht? Ganz einfach, weil die Batterie bzw. einzelne Zellen dabei zu warm werden und bei den hohen strömen bei hoher Temperatur dann viel stärker altern.
Hyundai scheint damit kein Problem zu haben, oder es einfach zu ignorieren.
Rein technisch könnten auch die anderen Hersteller so eine Ladekurve fahren. Die wird letztlich im BMS programmiert. Die Software schaut sich temperaturen und Zellspannungen an, berechnet daraus, wie hoch der Strom jetzt maximal sein sollte (die Berechnungsvorschrift hat ein Ingenieur vorgegeben) und kommuniziert das mit der Säule.
Das sind aber eben bewusste Entscheidungen, die Zellen nicht so schnell zu laden. Oder waren es.
Wenn man sich neuere Ladekurven von Audi mit 400V anschaut, dann sieht man auch dort den Trend, einfach konstant mit maximaler Leistung zu laden. Dabei werden die Leitungen dann sicher auch deutlich wärmer, als bei 800V, aber ein paar mm Leitungsquerschnitt sind nicht der Grund, wieso man sich die doppelte Ladezeit verglichen mit der Konkurrenz erlaubt. Man traut sich halt einfach nicht schneller. Indiz dafür ist dann z.B. auch die Ladekurve des BMW iX verglichen mit dem i4. Beide zeitgleich auf den Markt gekommen, selbe technologie, aber der iX hat einfach eine viel größere Batterie mit mehr Zellen. Der drückt entsprechend auch viel mehr Strom in die Batterie rein. Von der Wärmeentwicklung in den Leitungen lässt der sich nicht bremsen.
Und da komme ich dann auch nochmal auf den originalen i3 zurück. Hier war man nochmal vorsichtiger. Der hat von seiner Brutto-Batteriekapazität nur 80% überhaupt zum Fahren zur Verfügung gestellt. Dort dachte man sich: Der Kunde soll möglichst lange keinen Reichenweitenverlust merken, obwohl die Batterie in der Realität altert. Wenn man das auf den EV6 übertragen würde, dann wäre das, als hätte der einen 95kWh akku, von denen aber nur 77kWh zum fahren freigegeben werden. Völlig irre, das macht heute keiner mehr. Dafür setzt halt auch der Reichweitenverlust früher ein.